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Thema: Frohe Weihnachten

  1. #21
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    Die Geschichte vom Lametta

    Autor unbekannt

    Weihnachten naht, das Fest der Feste-
    Das Fest der Kinder - Fest der Gäste-
    Da geht es vorher hektisch zu.....
    Von Früh bis Abend - keine Ruh -
    Ein Hetzen, Kaufen, Proben, Messen -
    Hat man auch niemanden vergessen...?

    So geht es mir - keine Ahnung habend -
    Vor ein paar Jahren - Heiligabend -
    der zu dem noch ein Sonntag war.
    Ich saß grad bei der Kinderschar,
    da sprach mein Weib: "Tu dich nicht drücken,
    Du hast heut noch den Baum zu schmücken!"

    Da Einspruch meistens mir nichts nützt,
    hab kurz darauf ich schon geschwitzt:
    Den Baum gestutzt - gebohrt - gesägt -
    und in den Ständer eingelegt.
    Dann kamen Kugeln, Kerzen, Sterne,
    Krippenfiguren mit Laterne,
    Zum schluß ---- ja Himmelwetta......!
    Nirgends fand ich das Lametta!

    Es wurde meiner Frau ganz heiß
    und stotternd sprach sie: "Ja, ich weiß,
    im letzten Jahr war es arg verschliessen -
    Drum habe ich es weggeschmissen.
    Und - in dem Trubel dieser Tage,
    bei Arbeit, Müh und Plage -
    Vergaß ich, Neues zu besorgen!
    Ich werde was vom Nachbarn borgen!

    Die Nachbarn - links, rechts, drunter, drüber -
    die hatten kein Lametta über
    ! Da schauten wir uns an verdrossen;
    Die Läden sind ja auch geschlossen....

    "Hört zu! Wir werden heuer haben
    einen Baum -- altdeutscher Stil,
    Weil ... mir Lametta nicht gefiel..."
    Da gab es Heuler, Schlurzen, Tränen...
    und ich gab nach den Schmerzfontänen:
    "Hört endlich auf mit dem Gezeta ---
    ihr kriegt nenn Baum - mit viel Lametta!"

    Zwar konnt ich da noch nicht begreifen,
    woher ich nehm die Silberstreifen...!
    Doch grade, als ich sucht - mein Messa -
    da ließ ich: "Hengstenberg MILDESSA"..
    Es war die Sauerkrautkonserve!
    Ich kombinier mit Messers Schärfe:
    Hier liegt die Lösung eingebettet,
    das Weihnachtsfest, es ist gerettet!!!!

    Schnell wurde der Deckel aufgedreht,
    das Kraut gepresst, so gut es geht -
    zum Trocknen - einzeln - aufgehängt-
    und dann geföhnt, -- doch nicht versengt!!
    Die trocknen Streifen, sehr geblichen
    mit Silberbronce angestrichen -
    Auf beiden Seiten, Silberkleid!
    Oh freue Dich, Du Christenheit!

    Der Christbaum war einmalig schön,
    Wie selten man ihn hatte gesehen!
    Zwar rochs süßsauer zur Bescherung,
    geruchlich gabs ne Überquerung,
    weil mit Benzin ich wusch die Hände,
    mit Nitro reinigt die Wände,
    dazu noch Räuscherkerzen und Myrthe -
    Der Duft die Menge leicht verwirrte!
    Und Jemand sprach still, verwundert:
    "Hier riechts nach technischem Jahrhundert!"

    Ne Woche drauf! .. Ich saß gemütlich
    im Sessel, laß die Zeitung friedlich,
    den Bauch voll Feiertage-Reste --
    es war wieder Sonntag - und Sylvester.

    Es sprach mein Weib: "Du weißt Bescheid?!
    Es kommen heut zur Abendzeit
    Schulzes, Lehmanns und Herr Meier
    zu unserer Sylvesterfeier..."
    Wir werden leben wie die Fürsten --
    es gibt Sauerkraut mit Wiener Würsten!!"
    Ein Schrei ertönt! Entsetzt sie schaut:
    "Am Christbaum hängt mein Sauerkraut!!
    Vergessen, Neues zu besorgen!
    Ich werde was vom Nachbarn borgen!"
    Die Nachbarn links, rechts, drunter, drüber -
    die hatten - leider - keines über!
    Da schauten wir uns an verdrossen:
    Die Läden sind ja auch geschlossen!!

    Und so ward wieder ICH der Retter
    nahm ab vom Baum das Lametta!
    Mit Terpentinöl und Bedacht
    hab ich das Silber abgemacht.
    Das Kraut dann gründlich durchgewässert,
    mit reichlich Essig noch verbessert,
    dazu noch Nelken, Pfeffer, Salz
    und Curry, Ingwer, Gänseschmalz!
    Dann, als das Ganze sich erhitzte -
    das Kraut das funkelte und blitzte -
    da konnte ich nur nach oben flehen:
    Laß diesen Kelch vorübergehen...!

    Als später dann das Kraut serviert
    ist auch noch folgendes passiert:
    Als eine Dame mußte niesen
    sah man aus ihrem Näschen sprießen
    tausend kleine Silbersterne...
    "Machs noch einmals, ich seh das so gerne.."
    so rief man ringsum, hocherfreut -
    die Dame wußte nicht Bescheid!

    Franziska Lehmann sprach zum Franz:
    "Dein Goldzahn hat heut Silberglanz!"
    Und einer, der da mußte mal
    der rief: "Ich hab nen Silberstrahl!"
    So gabs nach dieser Krautmethode
    noch manche nette Episode!

    Beim Heimgang sprach ein Gast zu mir:
    "Es hat mir gut gefallen hier,
    doch wär die Wohnung noch viel netter
    hättest du am Weihnachtsbaum Lametta!!!"
    Ich konnte da gequält nur lächeln
    und mir noch "frische Luft" zufächeln.
    Ich sprach - und klopfte ihm aufs Jäckchen:
    "Im nächsten Jahr, da kauf ich 100 Päckchen!!"

  2. #22
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    Alltag im Advent

    Verfasser unbekannt

    Nicht nur wir Normalbürger haben mit der Polizei zu tun.
    Auch einem Nikolaus kann es passieren, dass er mit einem ganz irdischen "Blauen" in Kontroversen kommt.
    So wartete am Freitagabend, dem berühmten 6. Dezember, ein Streifenbeamter der Polizei an einem ganz gewöhnlichen kleinen Auto, das der Fahrer völlig unvorschriftsmäßig und keck in ein deutlich bezeichnetes Parkverbot gestellt hatte.
    Der Polizist, - es war nicht gerade in der kritischen Innenstadt - war eben am überlegen, ob er seinen Block mit vorgedruckten Aufforderungen, sich auf dem Revier zu melden, ziehen solle, aber da es so kalt war, ließ er die Hände lieber in den Handschuhen. Unschlüssig stand er, ob er besser weitergehen oder amtliche Kenntnis zu nehmen hätte.
    In diese Überlegung hinein trat eine vermummte Gestalt aus dem Hauseingang, schritt auf den Wagen zu und erwies sich als der Fahrer des falsch geparkten Fahrzeugs. Als Polizist kann man nun nicht mehr den Ahnungslosen markieren, sondern ist zur Amtshandlung gezwungen. "Sie", sagte der Ordnungshüter, dem der Autofahrer den Buckel hinstreckte, "Sie, haben sie nicht gesehen, dass sie im Parkverbot stehen?"
    Der Fremde drehte sich um.

    Wahrscheinlich haben dem Polizeibeamten, der ja auch einmal ein Knabe war, in diesem Augenblick die amtsblauen Hosenbeine geschlottert. Denn der Autofahrer trug eine Kurre, einen mächtigen weißen Bart, eine Rute in der Hand und sah ehrfurchtsvoll drein.
    "....im Parkverbot stehen", monierte der Beamte nur noch schwach und hätte sich eigentlich am liebsten unverzüglich auf seinen Rundgang begeben.
    "Stimmt!" brummte der Nikolaus und ließ lässig die Rute in den Fingern kreisen.
    "Das ist ein Parkverbot. Aber sie wissen, dass auch im Parkverbot das Be- und entladen des Fahrzeugs erlaubt ist!"
    "Allerdings", stimmte der Polizist froh ein.
    "Und wie sie hier sehen", fuhr der Nikolaus fort und schwang einen leeren Sack, "habe ich in diesem Haus einiges entladen.
    Dieser Sack war einmal voll mit Äpfeln, Nüssen und anderen Sachen. Oder wollten sie, dass ein Nikolaus von heute einen Sack zu Fuß schleppen soll, wo jedes Bierfahrzeug im Halteverbot halten darf?"
    "Oh!" lächelte der Polizeibeamte, "das wollte ich keineswegs. Das geht in Ordnung. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!"
    Am liebsten hätte er noch "lieber Nikolaus" angefügt. Aber da genierte er sich. Ein Polizeibeamter ist ja schließlich kein Knabe mehr.

  3. #23
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    Weihnachten in der Fremde

    von Theodor Storm

    zum Nachlesen, wer dieser "Theodor Storm" war:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Storm

    Weihnachtsabend kam heran. - Es war noch nachmittags, als Reinhard mit anderen Studenten im Ratskeller am alten Eichentisch zusammensaß. Die Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier unten dämmerte es schon; aber die Gäste waren sparsam versammelt, die Kellner lehnten müßig an den Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes saßen ein Geigenspieler und ein Zithermädchen mit feinen zigeunerhaften Zügen. Sie hatten ihre Instrumente auf dem Schoß liegen und schienen teilnahmslos vor sich hinzusehen.
    Am Studententisch knallte ein Champagnerpfropfen.
    "Trinke, mein böhmisch Liebchen!" rief ein juger Mann von junkerhaftem Äußerem, indem er sein volles Glas zu dem Mädchen hinüberreichte.
    "Ich mag nicht", sagte sie, ohne ihre Stellung zu verändern.
    "So singe!" rief der Junker und warf ihr eine Silbermünze in den Schoß. Das Mädchen strich sich langsam mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar, während der Geigenspieler ihr ins Ohr flüsterte, aber sie warf den Kopf zurück uns stützte das Kinn auf die Zither.
    "Für den spiel' ich nicht", sagte sie.
    Reinhard sprang mit dem Glase in der Hand auf und stellte sich vor sie.
    "Was willst du?" fragte sie trotzig.
    "Deine Augen sehen."
    "Was gehen dich meine Augen an?"
    Reinhard sah funkelnd auf sie nieder. "Ich weiß wohl, sie sind falsch!" Sie legte ihre Wange in die flache Hand und sah ihn lauernd an.
    Reinhard hob sein Glas an den Mund. "Auf deine schönen, sündhaften Augen!" sagte er und trank.
    Sie lachte und warf den Kopf herum. "Gib!" sagte sie, und indem sie ihre schwarzen Augen in die seinen heftete, trank sie langsam den Rest. Dann griff sie einen Dreiklang und sang mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme:

    "Heute, nur heute
    bin ich so schön;
    morgen, ach morgen
    muß alles vergehn!
    Nur diese Stunde
    bist du noch mein;
    sterben, ach sterben,
    soll ich allein."

    Während der Geigenspieler im raschen Tempo das Nachspiel einsetzte, gesellte sich ein
    neuer Ankömmling zu der Gruppe.
    "Ich wollte dich abholen, Reinhard", sagte er. "Du warst schon fort; aber das Christkind war bei dir eingekehrt."
    "Das Christkind?" sagte Reinhard. "Das kommt nicht mehr zu mir."
    "Ei was! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunem Kuchen."
    Reinhard setzte das Glas aus der Hand und griff nach seiner Mütze.
    "Was willst du?" fragte das Mädchen.
    "Ich komme schon wieder."
    Sie runzelte die Stirn. "Bleib!" rief sie leise und sah ihn vertraulich an.
    Reinhard zögerte. "Ich kann nicht", sagte er.
    Sie stieß ihn lachend mit der Fußspitze. "Geh!" sagte sie. "Du taugst nichts; ihr taugt
    miteinander nichts." Und während sie sich abwandte, stieg Reinhard langsam die Kellertreppe hinauf.
    Draußen auf der Straße war es tiefe Dämmerung; er fühlte die frische Winterluft an seiner
    heißen Stirn. Hie und da fiel der helle Schein eines brennenden Tannenbaumes aus den
    Fenstern, dann und wann hörte man von drinnen das Geräusch von kleinen Pfeifen und
    Blechtrompeten und dazwischen jubelnde Kinderstimmen. Scharen von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus oder stiegen auf die Treppengeländer und suchten durch die Fenster einen Blick in die versagte Herrlichkeit zu gewinnen. Mitunter wurde auch eine Tür plötzlich aufgerissen, und scheltende Stimmen trieben einen ganzen Schwarm solcher kleiner Gäste aus dem hellen Hause auf die dunkle Gasse hinaus; anderswo wurde auf dem Hausflur ein altes Weihnachtslied gesungen; es waren klare Mädchenstimmen darunter. Reinhard hörte sie nicht, er ging rasch an allem vorüber, aus einer Straße in die andere.
    Als er an seine Wohnung gekommen, war es fast völlig dunkel geworden; er stolperte die Treppe hinauf und trat in seine Stube. Ein süßer Duft schlug ihm entgegen; das heimelte ihn an, das roch wie zu Hause der Mutter Weihnachtsstube. Mit zitternder Hand zündete er sein Licht an; da lag ein mächtiges Paket auf dem Tisch, und als er es öffnete, fielen die wohlbekannten braunen Festkuchen heraus; auf einigen waren die Anfangsbuchstaben seines Namens in Zucker ausgestreut; das konnte niemand anders als Elisabeth getan haben. Dann kam ein Päckchen mit feiner gestrickter Wäsche zum Vorschein, Tücher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und von Elisabeth. Reinhard öffnete zuerst den letzteren;

    Elisabeth schrieb:
    "Die schönen Zuckerbuchstaben können Dir wohl erzählen, wer bei den Kuchen mitgeholfen hat; dieselbe Person hat die Manschetten für Dich gestickt. Bei uns wird es nun Weihnachtsabend sehr still werden; meine Mutter stellt immer schon um halb zehn ihr Spinnrad in die Ecke. Es ist gar so einsam diesen Winter, wo Du nicht hier bist. Nun ist auch vorigen Sonntag der Hänfling gestorben, den Du mir geschenkt hattest; ich habe sehr geweint, aber ich habe ihn doch immer gut gewartet. Der sang sonst immer nachmittags, wenn die Sonne auf seinen Bauer schien; Du weißt, die Mutter hing oft ein Tuch über, um ihn zu geschweigen, wenn er so recht aus Kräften sang. Da ist es nun noch stiller in der Kammer, nur daß Dein alter Freund Erich uns jetzt mitunter besucht. Du sagtest einmal, er sähe seinem braunen Überrock ähnlich. Daran muß ich nun immer denken, wenn er zur Tür hereinkommt, und es ist gar zu komisch; ich sag es aber nicht zur Mutter, sie wird dann leicht verdrießlich. -
    Rat, was ich Deiner Mutter zu Weihnachten schenke! Du rätst es nicht? Mich selber! Der Erich zeichnete mich in schwarzer Kreide; ich habe ihm schon dreimal sitzen müssen, jedesmal eine ganze Stunde. Es war mir recht zuwider, daß der fremde Mensch mein Gesicht so auswendig lernte. Ich wollte auch nicht, aber die Mutter redete mir zu; sie sagte, es würde der guten Frau Werner eine große Freude machen. Aber Du hältst nicht Wort, Reinhard. Du hast keine Märchen geschickt. Ich habe Dich oft bei Deiner Mutter verklagt; sie sagt dann immer, Du habest jetzt mehr zu tun als solche Kindereien. Ich glaub es aber nicht; es ist wohl anders."
    Nun las Reinhard den Brief seiner Mutter, und als er beide Briefe gelesen und langsam wieder zusammengefaltet und weggelegt hatte, überfiel ihn unerbittliches Heimweh.
    Er ging eine Zeitlang in seinem Zimmer auf und nieder; er sprach leise und dann halb verständlich zu sich selbst: "Er wäre fast verirret und wußte nicht hinaus; da stand das Kind am Wege und winkte ihm nach Haus!"
    Dann trat er an sein Pult, nahm einiges Geld heraus und ging wieder auf die Straße hinab. Hier war es mittlerweile stiller geworden, die Weihnachtsbäume waren ausgebrannt, die Umzüge der Kinder hatten aufgehört. Der Wind fegte durch die einsamen Straßen; Alte und Junge saßen in ihren Häusern familienweise zusammen; der zweite Abschnitt des Weihnachtsabends hatte begonnen.
    Als Reinhard in die Nähe des Ratskellers kam, hörte er aus der Tiefe herauf Geigenstrich und den Gesang des Zithermädchens; nun klingelte unten die Kellertüre, und eine dunkle Gestalt schwankte die breite, matt erleuchtete Treppe herauf.
    Reinhard trat in den Häuserschatten und ging dann rasch vorüber. Nach einer Weile erreichte er den erleuchteten Laden eines Juweliers; und nachdem er hier ein kleines Kreuz von roten Korallen eingehandelt hatte, ging er auf demselben Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines in klägliche Lumpen gehülltes Mädchen an einer hohen Haustür stehen, in vergeblicher Bemühung, sie zu öffnen." Soll ich dir helfen?" sagte er. Das Kind erwiderte nichts, ließ aber die schwere Türklinke fallen. Reinhard hatte schon die Tür geöffnet. "Nein", sagte er, "sie könnten dich hinausjagen; komm mit mir!
    Ich will dir Weihnachtskuchen geben." Dann machte er die Tür wieder zu und faßte das kleine Mädchen an der Hand, das stillschweigend mit ihm in seine Wohnun ging.
    Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen. "Hier hast du Kuchen", sagte er und gab ihr die Hälfte seines ganzen Schatzes in die Schürze, nur keine mit den Zuckerbuchstaben. "Nun geh nach Haus und gib deiner Mutter auch davon."
    Das Kind sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf; es schien solcher Freundlichkeiten
    ungewohnt und nichts darauf erwidern zu können. Reinhard machte die Tür auf und leuchtete ihr, und nun flog die Kleine wie ein Vogel mit ihrem Kuchen die Treppe hinab und zum Haus hinaus. Reinhard schürte das Feuer in seinem Ofen an und stellte das bestaubte Tintenfaß auf seinen Tisch; dann setzte er sich hin und schrieb und schrieb die ganze Nacht Briefe an seine Mutter, an Elisabeth. Der Rest der Weihnachtskuchen lag unberührt neben ihm; aber die Manschetten von Elisabeth hatte er angeknüpft, was sich gar wunderlich zu seinem weißen Flauschrock ausnahm. So saß er noch, als die Wintersonne auf die gefrorenen Fensterscheiben fiel und ihm gegenüber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz zeigte.

  4. #24
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    Der Weihnachtsbraten

    von Rita Fehling

    "Sag mal, was soll ich dieses Jahr eigentlich zu Weihnachten kochen?"
    Diese bedeutungsschwere Frage richte ich an meinen Sohn, der in letzter Zeit mit dem Essen sehr mäkelig geworden ist. Ich will schließlich nicht riskieren, dass er am heiligen Fest ein langes Gesicht macht. Er wartet auf mütterliche Vorschläge. Gans, Ente, Wildschwein, Hase, Rehrücken... Ist ihm alles nicht Recht.
    Mit Freude nehme ich sein Interesse am Kochen zur Kenntnis, das er durch den Kochunterricht in der Schule erworben hat. Stolz erzählt er, welche komplizierten und doch sehr schmackhaften Gerichte er dort schon gekocht hat. Er sieht mich schwer beeindruckt.
    "Wenn dir alles nicht passt, was ich kochen will, wie wär's, wenn du kochst?" Ich weiß, ein sehr abenteuerlicher Vorschlag. Ich stelle mir bildlich vor, wie an diesem hohen Feiertag meine Küche aufs Wildeste verwüstet wird. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich lernen die Kids kochen nur durch kochen. Und wenn ich immer all die Arbeit an mich reiße, dann kann er ja keine Erfahrungen sammeln. Ich lasse mich also auf den Deal ein.

    "Papa, weißt du schon, dass ich dieses Jahr zu Weihnachten koche?"
    Ein wahrhaft erstauntes Grunzen kommt aus väterlichem Mund. "Nie im Leben, das erlaubt Mama nie!"
    "Doch, kannst sie fragen, ich darf kochen."
    "Glaub ich nicht."
    "Jawohl!"
    "Du und kochen? Du maulst doch schon, wenn du bloß mal das Frühstück machen sollst. Dann koche ich schon lieber."
    Nachdenklich legt der Sohn seinen Kopf schief und stellt sich seinen Erzeuger vor, wie er ein weihnachtliches Menü zubereitet. "Mensch, Papa, du kannst doch gar nicht kochen."
    "Was glaubst du denn, was ich alles kann. Ich wird's dir beweisen." Sprach's und ging seiner Wege. Der Sohn hingegen war nun doch froh, dass er nicht dafür büßen musste, dass er seinen Mund zu voll genommen hatte. Es kamen - berechtigte - Zweifel wegen des Bewältigens dieser Aufgabe in ihm hoch. Aber wenn Papa das machen würde.... um so besser.

    Es begab sich aber in diesem Jahr, dass nach dem turbulenten Fest des Heiligen Abends in einer kleinen Familie in Deutschland alle drei Familienmitglieder sich etwas ratlos ansahen, denn nach dem Frühstück und den vormittäglichen Verwandtschaftsbesuchen stellte sich ein leichtes Hungergefühl ein. Und ein jeglicher wartete, dass der andere kochen möge. Aber jeder hatte sich auf den anderen verlassen.

    Was es bei uns zu Essen gab? Wissen Sie, Spaghetti schmecken eigentlich immer.

  5. #25
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    Plätzchenduft im ganzen Haus

    von Rita Fehling

    Wieder diese dunkle Jahreszeit. Wieder Dezember. Wieder diese langen Nächte und kurzen Tage. Und wieder die Familie, die quengelt, ich soll Plätzchen backen.
    "Nein!" sage ich dieses Mal entschieden. "Ich backe in diesem Jahr keine Plätzchen. Mann und Sohn gucken mich an, als ob ich ihnen soeben mitgeteilt hätte, dass ich beabsichtige, nach Timbuktu auszuwandern. Alles, nur das nicht. Sie flehen. Sie nölen. Sie schimpfen. Und ich argumentiere damit, dass es keinen Spaß macht, viele Stunden in der Küche zuzubringen, nochmals Stunden mit deren Reinigung beschäftigt zu sein, die Produkte meiner Schweiß treibenden Arbeit sich noch am Backtag bis auf die Hälfte dezimieren zu sehen, um dann festzustellen, dass anschließend niemand mehr von den Keksen isst. Nicht nur nicht im Dezember, nein auch am Fest selbst wird alles Mögliche gegessen und genascht, nicht aber Mutters Kekse.
    Ich schlug vor, in eine gute Konditorei zu gehen, und ein paar von diesen wunderbaren Keksen zu kaufen, die so schön aussehen, wie ich es niemals hinkriegen würde. Aber sie schüttelten beiden heftig die Köpfe und argumentierten: "Aber das riecht doch so schön im ganzen Haus." Okay, da hatten sie ja nun Recht. Trotzdem habe ich keine Lust, Kekse für den Mülleimer zu produzieren. Basta!
    Im letzten Jahr hatte ich logisch überlegt und nur noch die Hälfte Kekse gebacken. In der Hoffnung, dass dann alle an einem Tag aufgegessen würden. Aber die Rechnung ging nicht auf. 1. hatte ich fast genau so viel Arbeit, weil es der verschmutzten Küche egal ist, ob zehn oder fünf Bleche gebacken wurden und 2. haben sie von der Hälfte eben wieder nur die Hälfte gegessen. Ob sie es unverschämt gefunden hätten, alles auf einmal zu essen, oder ob ausgerechnet im letzten November ihr Keksappetit nur halb so groß war, bleibt unbekannt. Mein Entschluss stand fester den je: In diesem Jahr keine Kekse.
    Nun waren meine beiden Süßen nicht gewillt, auf selbst gebackene Weihnachtssüßigkeiten zu verzichten. Und weil Muttern dieses Mal nicht als Produzentin zur Verfügung stand passierte, was passieren musste. Die beiden wälzten Backbücher, kauften Frauenzeitschriften mit Plätzchenrezepten und bereiteten sich akribisch auf den großen Backtag vor. Wenn eine Frau kocht oder backt, geht sie in die Küche, schmeißt Ofen und Herd in Gang und legt los. Männer jedoch planen alles bis in die kleinste Kleinigkeit. Sie lasen die Rezepte, murmelten was von Kouvertüre, Petit Fours und viele andere leckere Ausdrücke. Ich schmunzelte, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie das hinkriegen würden. Meine Kekse, die ich immer genau nach Anweisung backte, sahen nie so umwerfend toll aus, wie sie in den Zeitschriften oder Backbüchern abgebildet waren. Aber die beiden hatten - so schien es - den Anspruch, es besser zu machen als ich.
    Ich gebe zu, dass ich ein bisschen in meinem hausfraulichen Stolz gekränkt war. Und ein bisschen juckte es mich doch, ihnen zu zeigen, wer hier besser backen konnte. Doch ein Zurück gab es nun nicht mehr für mich. Zu viel hatte ich daran gesetzt, mein Ziel zu erreichen. Um nicht in irgendeine Versuchung zu kommen, in den nachmittäglichen Backvorgang einzugreifen, verzog ich mich für einige Stunden.
    Ja, es stimmt, ich war sehr neugierig, als ich nach Hause kam. Was dort dekorativ in einer Schale angerichtet war, verschlug mir den Atem. Vanillekipferl mit Puderzucker, Zimtsterne mit rosa Verzierungen und vieles mehr. "Alle Achtung!" Das Kompliment meinte ich wirklich ernst.
    Erst am Abend im Bett fiel mir auf, dass etwas gefehlt hatte. Der Duft. Genau! Der Plätzchenduft im ganzen Haus.

  6. #26
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    Der Christbaumständer

    Verfasser Heinz Günter Raspe

    Beim Aufräumen des Dachbodens - ein paar Wochen vor Weihnachten -entdeckte ein Familienvater in einer Ecke einen ganz verstaubten, uralten Weihnachtsbaumständer. Es war ein besonderer Ständer mit einem Drehmechanismus und einer eingebauten Spielwalze. Beim vorsichtigen Drehen konnte man das Lied "O du fröhliche" erkennen.
    Das musste der Christbaumständer sein, von dem Großmutter immer erzählte, wenn die Weihnachtszeit herankam. Das Ding sah zwar fürchterlich aus, doch da kam ihm ein wunderbarer Gedanke. Wie würde sich Großmutter freuen, wenn sie am Heiligabend vor dem Baum säße und dieser sich auf einmal wie in uralter Zeit zu drehen begänne und dazu "O du fröhliche" spielte. Nicht nur Großmutter, die ganze Familie würde staunen.
    Es gelang ihm, mit dem antiken Stück ungesehen in seinen Bastelraum zu verschwinden. Gut gereinigt, eine neue Feder, dann müsste der Mechanismus wieder funktionieren, überlegte er. Abends zog er sich jetzt geheimnisvoll in seinen Hobbyraum zurück, verriegelte die Tür und werkelte. Auf neugierige Fragen antwortete er immer nur "Weihnachtsüberraschung". Kurz vor Weihnachten hatte er es geschafft. Wie neu sah der Ständer aus, nachdem er auch noch einen Anstrich erhalten hatte.
    Jetzt aber gleich los und einen prächtigen Christbaum besorgen, dachte er. Mindestens zwei Meter sollte der messen. Mit einem wirklich schön gewachsenen Exemplar verschwand Vater dann in seinem Hobbyraum, wo er auch gleich einen Probelauf startete. Es funktionierte alles bestens. Würde Großmutter Augen machen!
    Endlich war Heiligabend. "Den Baum schmücke ich alleine", tönte Vater. So aufgeregt war er lange nicht mehr. Echte Kerzen hatte er besorgt, alles sollte stimmen. "Die werden Augen machen", sagte er bei jeder Kugel, die er in den Baum hing. Vater hatte wirklich an alles gedacht. Der Stern von Bethlehem saß oben auf der Spitze, bunte Kugeln, Naschwerk und Wunderkerzen waren untergebracht, Engelhaar und Lametta dekorativ aufgehängt. Die Feier konnte beginnen.
    Vater schleppte für Großmutter den großen Ohrensessel herbei. Feierlich wurde sie geholt und zu ihrem Ehrenplatz geleitet. Die Stühle hatte er in einem Halbkreis um den Tannenbaum gruppiert. Die Eltern setzten sich rechts und links von Großmutter, die Kinder nahmen außen Platz. Jetzt kam Vaters großer Auftritt. Bedächtig zündete er Kerze für Kerze an, dann noch die Wunderkerzen. "Und jetzt kommt die große Überraschung", verkündete er, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell seinen Platz ein.
    Langsam drehte sich der Weihnachtsbaum, hell spielte die Musikwalze "O du fröhliche". War das eine Freude! Die Kinder klatschten vergnügt in die Hände. Oma hatte Tränen der Rührung in den Augen. Immer wieder sagte sie:
    "Wenn Großvater das noch erleben könnte, dass ich das noch erleben darf." Mutter war stumm vor Staunen.
    Eine ganze Weile schaute die Familie beglückt und stumm auf den sich im Festgewand drehenden Weihnachtsbaum, als ein schnarrendes Geräusch sie jäh aus ihrer Versunkenheit riss. Ein Zittern durchlief den Baum, die bunten Kugeln klirrten wie Glöckchen. Der Baum fing an, sich wie verrückt zu drehen. Die Musikwalze hämmerte los. Es hörte sich an, als wollte "O du fröhliche" sich selbst überholen. Mutter rief mit überschnappender Stimme: "So tu doch etwas!" Vater saß wie versteinert, was den Baum nicht davon abhielt, seine Geschwindigkeit zu steigern. Er drehte sich so rasant, dass die Flammen hinter ihren Kerzen herwehten. Großmutter bekreuzigte sich und betete. Dann murmelte sie:
    "Wenn das Großvater noch erlebt hätte."
    Als Erstes löste sich der Stern von Bethlehem, sauste wie ein Komet durch das Zimmer, klatschte gegen den Türrahmen und fiel dann auf Felix, den Dackel, der dort ein Nickerchen hielt. Der arme Hund flitzte wie von der Tarantel gestochen aus dem Zimmer in die Küche, wo man von ihm nur noch die Nase und ein Auge um die Ecke schielen sah. Lametta und Engelhaar hatten sich erhoben und schwebten wie ein Kettenkarussell am Weihnachtsbaum. Vater gab das Kommando "Alles in Deckung!" Ein Rauschgoldengel trudelte losgelöst durchs Zimmer, nicht wissend, was er mit seiner plötzlichen Freiheit anfangen sollte. Weihnachtskugeln, gefüllter Schokoladenschmuck und andere Anhängsel sausten wie Geschosse durch das Zimmer und platzten beim Aufschlagen auseinander.
    Die Kinder hatten hinter Großmutters Sessel Schutz gefunden. Vater und Mutter lagen flach auf dem Bauch, den Kopf mit den Armen schützend. Mutter jammerte in den Teppich hinein:
    "Alles umsonst, die viele Arbeit, alles umsonst!" Vater war das alles sehr peinlich. Oma saß immer noch auf ihrem Logenplatz, wie erstarrt, von oben bis unten mit Engelhaar und Lametta geschmückt. Ihr kam Großvater in den Sinn, als dieser 14-18 in den Ardennen in feindlichem Artilleriefeuer gelegen hatte. Genau so musste es gewesen sein. Als gefüllter Schokoladenbaumschmuck an ihrem Kopf explodierte, registrierte sie trocken "Kirschwasser" und murmelte: "Wenn Großvater das noch erlebt hätte!"
    Zu allem jaulte die Musikwalze im Schlupfakkord "O du fröhliche", bis mit einem ächzenden Ton der Ständer seinen Geist aufgab.
    Durch den plötzlichen Stopp neigte sich der Christbaum in Zeitlupe, fiel aufs kalte Buffet, die letzten Nadeln von sich gebend. Totenstille! Großmutter, geschmückt wie nach einer New Yorker Konfettiparade, erhob sich schweigend. Kopfschüttelnd begab sie sich, eine Lamettagirlande wie eine Schleppe tragend, auf ihr Zimmer. In der Tür stehend sagte sie:
    "Wie gut, dass Großvater das nicht erlebt hat!"
    Mutter, völlig aufgelöst zu Vater: "Wenn ich mir diese Bescherung ansehe, dann ist deine große Überraschung wirklich gelungen." Andreas meinte:
    "Du, Papi, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?"

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  7. #27
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    Benedikt der Leuchtturmwärter

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    von Eleonore Görges

    Benedikt, der Leuchtturmwärter von Amrum, der sein kleines Reetdachhaus ganz in der Nähe des Leuchtturmes hat, war wieder einmal auf dem Weg zu seiner Schicht.

    Heute war Heilig Abend, er war noch recht früh dran, es war erst Spätnachmittag. So ging er langsamen Schrittes durch die Dünenlandschaft, sein Blick schweifte weit über das Meer, bis hin zum Horizont. Diese herrliche Seeluft, er genoss sie immer wieder, dazu der Wind, der heute allerdings recht stürmisch und sehr kalt war.

    Er zog seine Mütze etwas tiefer in die Stirn, damit sie ihm nicht davon fliegen konnte, die Hände stemmte er in die Taschen der gelben Öljacke. Benedikt hing seinen Gedanken nach und war traurig, dass er auch in diesem Jahr an Heilig Abend wieder alleine war.

    Seine Frau war vor fünf Jahren gestorben, seit dieser Zeit war er sehr einsam, denn Kinder hatten sie keine. Er dachte an all die Familien, die hier lebten und daran, wie sie heute ihre Weihnachtsbäume in den Wohnzimmern schmückten. Weihnachten ist das Fest der Familien, wenn man keine hat, wie Benedikt, dann stimmt das sehr traurig. Eigentlich mochte er Weihnachten nicht mehr, seit seine Frau nicht mehr bei ihm war.

    Da stand er auch schon vor dem Leuchtturm, der in seiner rot-weißen Farbe weit über das Meer blickt und den Schiffern Zeichen gibt. Benedikt kramte in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel, als er vor der Eingangstür einen großen Hund sitzen sah.

    Zuerst erschrak er, aber der Hund sah ihn mit so traurigem Blick an, dass er ihm seine Hand hin hielt, um ihn daran schnüffeln zu lassen.

    "Na, wer bist du denn?" fragte er den Hund. "Wie heißt du denn, woher kommst du, hast du dich verlaufen?"

    Benedikt blickte sich in alle Richtungen um, ob er nicht ein Herrchen, oder Frauchen sehen konnte, zu irgendjemand musste der Hund doch gehören. Er konnte aber niemanden sehen.

    "Du bist wohl ausgebüchst, was, du wirst schon bald gefunden werden", sagte er zu dem großen Hund. "Warte, ich bringe dir einen Topf mit Wasser heraus."

    Er schloss die Eingangstür zum Leuchtturm auf, ging hinein und ehe er sich umsah, war der Hund an ihm vorbei und machte es sich sogleich in seinem Arbeitsraum gemütlich. Er legte sich unter den Schreibtisch, so als suche er Schutz, oder wolle sagen: "hier holt mich niemand mehr weg."

    "Du bist mir aber einer, mich so zu überlisten", sagte Benedikt. "Wenn ich nur deinen Namen wüsste." Er bückte sich zu dem Hund hinunter. "Du hast zwar ein Halsband an, aber kein Namensschild, keine Markierung. Weißt du was? Ich nenne dich einfach Benni, so hieß mein Hund, den ich als Kind hatte."

    Er stellte Benni einen großen Topf frisches Wasser hin und dieser machte sich gleich darüber her, also musste er großen Durst haben.

    "Du hast sicher auch Hunger, Benni." Benedikt ging an den Kühlschrank, den er immer gut gefüllt hatte, man weiß ja nie. Da lag noch ein großes Stück Fleischwurst drin, die nahm er heraus, schnitt eine dicke Scheibe von seinem Brot ab, butterte sie und schnitt alles in Stücke. Er füllte eine Schüssel mit Wurst- und Butterbrotstücken und stellte sie Benni hin, dieser hatte die Schüssel schneller leer gefressen, als Benedikt sich umdrehen konnte.

    "Mann hast du einen Hunger, weiß der Geier, wann du zum letzten Mal etwas gefressen hast. Vielleicht hat man dich sogar ausgesetzt?"

    Dieser Gedanke gefiel ihm gar nicht, aber es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas auf Amrum passieren würde.

    "Es sind wieder ein paar Weihnachtsurlauber hier, vielleicht mag dich ja einer von ihnen nicht mehr mit nach Hause nehmen, die Menschen sind oft so schlecht."

    Da fiel ihm ein, dass er ja bei der Polizei Bescheid geben könnte, vielleicht würde jemand Benni suchen. Sofort rief er dort an, beschrieb den Hund und sagte ihnen, dass er Benni bei sich behalten würde, bis sein Besitzer gefunden wurde. Mehr konnte er im Moment nicht für ihn tun.

    Benni lag wieder unter dem Schreibtisch, er schlief fest. Benedikt wunderte sich sehr, war der Hund doch ganz fremd hier, aber wer weiß, wie lange er schon unterwegs ist, er war auf jeden Fall durstig, hungrig und ist hundemüde. Er ließ ihn schlafen, versuchte, ihn nicht zu stören.

    Benni schlief beinahe die ganze Nacht durch, ab und zu wachte er auf, schaute, ob Benedikt noch da war und legte sich dann gleich wieder hin. Er schien zufrieden zu sein.

    Als die Nacht vorbei war und der Morgen schon hinter dem Horizont hoch kroch, machte sich Benedikt fertig, um nach Hause zu gehen. Er schaute zu Benni und meinte: "Eigentlich schön, dass du dich verlaufen hast, das war der erste Heilig Abend seit fünf Jahren, an dem ich nicht alleine war."

    Ein leichtes Lächeln überzog seinen Mund und sein Herz wurde warm.

    "Komm Benni, ich nehme dich mit zu mir nach Hause, bis sich dein Herrchen, oder Frauchen meldet. Solange kannst du bei mir wohnen, dann sind wir beide Weihnachten nicht einsam."

    Sie gingen hinaus in die Dünen, Benni folgte Benedikt, ohne dass dieser etwas zu ihm sagen musste. "Was bist du ein braver Kerl", sagte er zu dem Hund.

    Zu Hause angekommen gingen sie in das Haus, Benni folgte Benedikt auf Schritt und Tritt. Zuerst bekam er eine große Schüssel Wasser, dann suchte Benedikt nach etwas Wurst und Brot, denn Hundefutter hatte er nicht zu Hause, so musste Benni damit vorlieb nehmen, was dieser auch genüsslich tat. Anschließend kam er zu Benedikt, stupste ihn mit der Nase an und leckte ihm die Hand, ließ sich dann neben ihm nieder.

    "Irgendwie ist es schön, einen Hund zu haben", dachte sich Benedikt, "warum habe ich nicht schon längst einen? Dann wäre ich nicht so alleine in dem Haus."

    Er ging ins Schlafzimmer, um sich hinzulegen, er war müde nach dieser langen Schicht. Benni folgte ihm und legte sich neben sein Bett, schlief ebenfalls ein.

    Das Klingeln des Telefons riss Benedikt aus dem Schlaf, er nahm den Hörer ab, von der anderen Seite meldete sich die Polizei. "Hallo Benedikt, ist der Hund noch bei dir?"

    "Ja, ist er, warum, hat sich sein Besitzer bei euch gemeldet?"

    "Ja", sein Frauchen steht hier und ist in Tränen aufgelöst, sie sucht ihn schon seit gestern Mittag. Es muss der Hund sein, der bei dir ist, die Beschreibung passt haargenau auf ihn. Kann Frau Ewersen zu dir kommen und sehen, ob es ihr Hund ist?"

    "Ja sicher kann sie das, wir sind zu Hause, sie soll gleich kommen."

    Er legte den Hörer auf und war irgendwie etwas traurig, bald würde Benni nicht mehr da sein, er würde ihn vermissen.

    Benedikt machte sich schnell etwas frisch und zog sich seine Kleidung an, ging hinunter in die Küche und kochte Kaffee. Frau Ewersen würde sicher auch eine Tasse Kaffee trinken.

    Benni legte sich derweil unter den Küchentisch, da läutete es auch schon an der Haustür. Beide gingen zur Tür, Benedikt öffnete diese und sah sich einer Frau gegenüber, die sein Alter haben dürfte. Man sah, dass sie geweint hatte.

    Bevor er sich vorstellen konnte, sprang Benni an dieser Frau hoch, winselte und leckte ihr über das Gesicht, die Frau umarmte den Hund, drückte ihn an sich und ließ ihren Tränen freien Lauf, Freudentränen, wie man sah.

    "Ach mein geliebter Robby, dass ich dich wieder habe, ich war ja so verzweifelt. Jetzt läufst du mir aber nicht mehr davon."

    Irgendwie kam Benedikt dieses Gesicht bekannt vor.

    "Sie erinnern mich an jemanden", meinte er, zu der Frau gewandt.

    "Entschuldigen Sie bitte", sagte diese und sah ihn an, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Helga Ewersen, ich bin auf Weihnachtsurlaub hier mit meinem Hund." Sie reichte ihm die Hand und auch Benedikt stellte sich ihr vor. Da erst sah sie ihn wirklich und erkannte ihn sofort. "Du bist doch Benedikt, erinnerst du dich denn nicht an mich?"

    "Helga, bist du die Helga.?" "Ja, die bin ich. Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, es müssen mindestens 25 Jahre sein."

    "Komm doch bitte auf eine Tasse Kaffee herein", sagte er zu ihr, Helga Ewersen nahm die Einladung gerne an und folgte ihm in die Küche, beide wurden von einem freudig hin- und herlaufenden Benni, ach nein, Robby, begleitet.

    Kurz ging Benedikt die Zeit durch den Kopf, die beide vor vielen Jahren teilten, sie waren einmal ein Liebespaar gewesen, wenn auch nur für einen kurzen Sommer.

    "Robby also heißt er", sagte Benedikt, "ich hatte ihn Benni getauft, weil ich vor vielen Jahren einmal einen Benni hatte. Weißt du, dass er mir fehlen wird, ich habe mich in diesen paar Stunden an ihn gewöhnt. Wie ist er dir denn abhanden gekommen und was machst du hier auf der Insel? Du bist doch vor vielen Jahren von hier weg gezogen."

    Helga Ewersen erzählte ihm, dass sie am Vortag in den Dünen unterwegs war mit Robby, er dann einem anderen Hund gefolgt war, so hatten sie sich aus den Augen verloren. "Es war eine schöne Hundedame, ich konnte Robby nicht mehr halten. Stundenlang habe ich nach ihm gesucht, bis spät in die Nacht. Gleich heute Morgen suchte ich weiter, da fiel mir ein, dass ich ihn vermisst melden könnte.

    Die Polizei gab mir dann deine Adresse, wobei sie mir deinen Vornamen nicht nannte, sonst hätte ich mich sicher gleich an dich erinnert. Seit wann hast du ein Haus hier in der Nähe des Leuchtturmes?"

    Es gab viel zu erzählen, sie merkten nicht, wie die Zeit verging. Benedikt gefiel Helga, sie war ihm gleich wieder sympathisch, hatte immer noch diese offene Art zu reden und immer noch dieses fröhliche Lächeln. Ihre Augen hatten noch diesen Glanz, der ihn vor Jahren schon fasziniert hatte, außerdem sah sie für ihr Alter noch sehr gut aus.

    Helga Ewersen war vor beinahe 30 Jahren in die Landesmitte von Deutschland gezogen, die Liebe hatte sie dorthin verschlagen. Nun verbrachte sie die Weihnachtstage bei einem alten Onkel hier auf Amrum. Während dieser Zeit suchte sie ein kleines Haus für sich und Robby, denn sie wollte wieder auf Amrum leben. Sie war seit zwei Jahren verwitwet, es zog sie in die Heimat zurück.

    Sie hatte auch bereits ein kleines Haus gefunden, ganz in der Nähe von Benedikt, wie sich herausstellte. Der Kauf sollte heute abgewickelt werden.

    "Dann kann ich den Umzug organisieren und werde bereits in spätestens 3 Monaten hier wieder ansässig werden", sagte Helga Ewersen zu Benedikt.

    Dieser spürte, wie ein freudiges Gefühl in ihm aufkam. "Das ist sehr schön, dann kann ich Benni, ähm. Robby natürlich, immer sehen und muss ihn nicht vermissen. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass wir alle drei sehr gute Freunde werden."

    Helga sah Benedikt mit einem Lächeln an und stimmte ihm zu. "Das werden wir mit Sicherheit. Soll ich dir etwas sagen? Ich freue mich schon heute darauf, nun kann ich den Umzug gar nicht mehr erwarten."

    Es war bereits früher Nachmittag, Helga musste zum Termin, um den Hauskauf perfekt zu machen. So verabschiedete sie sich von Benedikt, aber nicht, ohne ihm noch einmal ganz herzlich für die liebe Aufnahme von Robby zu danken. Sie reichte ihm die Hand mit den Worten: "auf ein baldiges Wiedersehen und eine lange Freundschaft." Dann nahm sie Benedikt in den Arm und drückte ihn ganz herzlich.

    "Was für eine tolle Frau", dachte sich dieser und irgendwie ward ihm ganz leicht, er spürte ein tiefe Wärme in seinem Herzen. "Auch ich freue mich sehr, dass wir bald Nachbarn werden. Ich weiß, dass wir bereits heute eine tief gehende und wertvolle Freundschaft gegründet haben."

    So zogen nun Helga und Robby los. Jeder von den dreien fühlte, dass sie die kommenden Weihnachtsfeste gemeinsam feiern würden.

  8. #28
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    Von mir auch etwas nachdenkliches und herzerwärmendes zu dieser besinnlichen Jahreszeit:

    Loriot - ADVENT

    Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
    Schneeflöcklein leis herniedersinken.

    Auf Edeltännleins grünem Wipfel
    häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.

    Und dort vom Fenster her durchbricht
    den dunklen Tann ein warmes Licht.

    Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
    die Försterin im Herrenzimmer.

    In dieser wunderschönen Nacht
    hat sie den Förster umgebracht.

    Er war ihr bei des Heimes Pflege
    seit langer Zeit schon im Wege.

    So kam sie mit sich überein:
    am Niklasabend muss es sein.

    Und als das Rehlein ging zur Ruh‘,
    das Häslein tat die Augen zu,
    erlegte sie direkt von vorn
    den Gatten über Kimme und Korn.

    Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
    zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
    und ruhet weiter süß im Dunkeln,
    derweil die Sternlein traulich funkeln.

    Und in der guten Stube drinnen
    da läuft des Försters Blut von hinnen.

    Nun muss die Försterin sich eilen,
    den Gatten sauber zu zerteilen.
    Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
    nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.

    Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
    (was der Gemahl bisher vermied)-,
    behält ein Teil Filet zurück
    als festtägliches Bratenstück
    und packt zum Schluss, es geht auf vier
    die Reste in Geschenkpapier.

    Da tönt’s von fern wie Silberschellen,
    im Dorfe hört man Hunde bellen.

    Wer ist’s, der in so tiefer Nacht
    im Schnee noch seine Runden macht ?

    Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
    auf einem Hirsch herangeritten !

    „He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
    die armen Menschen Freude machen ?“

    Des Försters Haus ist tief verschneit,
    doch seine Frau steht schon bereit:
    „Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
    ’s ist alles, was ich geben kann.“

    Die Silberschellen klingen leise,
    Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.

    Im Förstershaus die Kerze brennt,
    ein Sternlein blinkt – es ist Advent.

    aus: LORIOTs HEILE WELT, Diogenes

  9. #29
    Insider
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    Vorweg ein Tipp:

    Hamburg -die schönste Stadt der Welt- wird Euch näher gebracht, wenn ihr auf die Homepage von "Heinz Bornemann" die am Ende vom Gedicht anzeigt wird anklickt.

    Viel Spaß beim Erkunden, somit ist die Zeit -vor & zwischen den Weihnachtstagen- gesichert.
    Evtl. kann ich ja noch ein paar Geschichten -vom Polarkreis- senden, falls das Polarlicht es zulässt !

    Am 26.01.2020 geht es erst wieder in die Sonne !

    Allen Leser diesen Threads, noch besinnliche schöne Weihnachtstage & einen guten
    Anhang 8853

    *******************

    Kein Schnee

    von Heinz Bornemann

    Der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten,
    hat noch niemals so gelitten,
    kein Schnee für seines Schlitten Kufen,
    er muss den Pannendienst wohl rufen.

    Der Engel vom ADAC,
    sagt auch verzweifelt nur, oh ne,
    für Schlitten hab ich keine Reifen,
    das müssen leider sie begreifen.

    Ein großer Laster muss nun her,
    der Schlitten ist ja furchtbar schwer,
    der Weihnachtsmann, er schuftet fleißig,
    doch überall ist Tempo 30.

    So kommts Geschenk nicht pünktlich an,
    es ärgert sich ein jedermann,
    dem Weihnachtsmann wirds schon ganz flau,
    denn nun steckt er im Riesenstau.

    Die Rentiere stehn da und lachen,
    was macht der Alte bloß für Sachen,
    sie könnten sich vor Freude biegen,
    er hat vergessen, wir könn fliegen.

    So kriegt auch diesmal jedes Kind,
    ganz sicher sein Geschenk geschwind,
    denn würde das mal nicht so sein,
    der liebe Gott ließ es schon schnein.


    Noch mehr schöne Gedichte von Heinz Bornemann, nicht nur zu Weihnachten, findet Ihr auf & in seiner Homepage:

    http://www.hhbornemann.de

  10. #30
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    Weihnachtsmorgen

    Autor unbekannt

    Es war soweit! Julika streckte ihre dick eingepackten Füße aus dem Bett und fröstelte! Hui, war das kalt heute! Sie kniete sich in ihr Bett und blickte verschlafen aus dem Fenster in den noch dunklen Morgen. Draußen glitzerte der Schnee im Glanz des Vollmonds und Julikas Herz begann vor Aufregung zu hüpfen. Weiße Weihnacht!
    Ihr Atem bildete Eisblumen auf der kalten Scheibe des Fensters und Julika jauchzte vor Entzücken. Schnell rutschte sie aus dem Bett und zog ihre zwei dicksten Pullover über ihr Nachtgewand und schlüpfte in die gefütterte Hose, die Tante Rosi ihr letztes Weihnachten geschenkt hatte. Leider war sie seitdem ein ganzes Stück gewachsen, so daß zwischen ih-ren dicken Stiefeln und dem Saum der Hose ein kleines Stückchen nackte Haut zu sehen war. Doch das kümmerte Julika nicht im geringsten. Schnell zog sie sich noch den Lamm-fellmantel über, den ihr die Mutter extra gekauft hatte, kramte die dicken Handschuhe aus den Taschen und setzte sich im Hinausgehen noch die Wollmütze ihres Bruders auf.
    Alles in allem gab sie so eine sehr lustige Gestalt ab, doch ihr war warm und das war die Hauptsache. Sie rannte hinaus in den Schnee und freute sich ihres Lebens! Drinnen im Haus konnte sie leise Stimmen hören und das Rumpeln verkündete ihr, daß nun auch ihre Eltern aufgestanden waren. Schnell begann sie, den Schnee zu einer großen Kugel zusammenzu-rollen, und als die erste fertig war, wurde eine zweite und dritte erstellt. Mittlerweile war das Licht in der Küche angegangen und Julika konnte hören, wie ihre Mutter das Frühstück vorbereitete. Schnell setzte sie die Kugeln aufeinander, die größte zu unterst, die kleinste zu oberst. Jetzt konnte Julika hören, daß auch ihre zwei Brüder, Jonas und Niklas, wach wur-den. Das hieß beeilen, wollte sie ihr Werk doch ganz alleine fertig stellen. Sie rannte zurück zum Haus, zu dem Blumentopf neben dem Küchenfenster. Dort hatte sie alles wichtige ver-steckt: eine lange Mohrrübe als Nase für den kalten Freund, zwei Knöpfe für die Augen, fünf kleine Stückchen Kohle, die dem Vater beim Anzünden des Kamins heruntergefallen waren, sie sollten des Mund bilden, die Zipfelmütze von Großvater, die Julika zusammen mit der Pfeife extra dafür von ihm bekommen hatte und natürlich den Schal und die Kieselsteine, die sie brauchte, um ihn anzuziehen. Da würden die Eltern aber schauen! So ein toller Schneemann und Julika hatte ihn ganz allein gemacht!
    Drinnen hörte sie, wie die Mutter die Brüder zum Frühstück rief, und bei dem Gedanken an eine dampfende Tasse heißen Kakaos wurde Julika bewußt, daß sie schon seit über einer Stunde im Schnee rumtollte. Ihr Magen knurrte, als sie sich die warmen, weichen, nach Milch und Honig duftenden Brötchen vorstellte, die ihre Mutter nur zu besonderen Anlässen buk. Leise öffnete sie die Haustür, streifte Mantel, Mütze und Stiefel fast gleichzeitig ab und hüpfte in die Küche.
    Oh, war das ein Anblick! Jonas und Niklas saßen im Nachtgewand und dicken Plüschhausschuhen auf ihren Stühlen, der Vater hatte seinen Morgenrock übergezogen und guckte noch ganz verschlafen, und die Mutter stand am Herd und rührte den heißen Kakao. Der Tisch, nein, die ganze Küche war festlich geschmückt mit Tannenreisig und Weihnachtssternen und kleinen Putten die selig von imaginären Wolken lächelten. Die Küche leuchtete im Glanz der Kerzen, die überall aufgestellt waren. Mutter hatte sogar die silbernen Leuchter auf den Tisch gestellt! Die gute Tischdecke war aufgelegt, auf dem Tisch waren zwischen dem Tannenreisig Walnüsse und Haselnüsse und Mandarinen und bunte Lebkuchen verteilt, und in der schönen Kristallschüssel, die in der Mitte des Tisches zwischen den silbernen Leuchtern stand, lagen Pfeffernüsse, Zimtsterne und Hildaplätzchen.
    Julika setzte sich auf ihren Platz, mit roter Nase und noch ganz außer Atem vom Schnee-mannbauen. Gleich nach dem Frühstück würde sie allen zeigen, was sie so früh schon draußen für alle gebaut hatte. Doch jetzt wollte sie zuerst einmal das köstliche Frühstück genießen, das ihre Mutter mit funkelnden Augen servierte: heiße Schokolade für Julika und die Brüder, duftender Kaffee für die Mutter und den Vater. Warme, frische Brötchen mit But-ter und Honig oder der leckeren selbstgemachten Brombeermarmelade. Ein Kanten von dem guten Schinken, den Vater vom Bauern Johann bekommen hatte, frisches, dunkles Brot, natürlich die guten Plätzchen und für jeden ein Ei von der Henne Berta.
    Da wurde geschlemmt! Und ganz still war es, weil keiner es wagte, den Morgen durch Worte zu stören. Doch wie es immer war, fing der kleine Niklas, der noch nicht begreifen konnte, was für ein besonderer Morgen es war, zu plappern an und als somit der Bann gebrochen war, fingen alle an zu erzählen. Vom letzen Jahr und den Jahren davor und wie schön der Schnee in diesem Jahr war und wer alles geschrieben hatte und daß es in diesem Jahr im Dorf sogar ein echtes Christkind gegeben hatte, denn die Frau vom Apotheker Lindberg hatte in der Christnacht ihr Kind bekommen.
    Als dann alle vom Erzählen ganz rote Backen hatten und Jonas vor Spannung kaum noch sitzen konnte, erklärte der Vater das Frühstück für beendet und stand auf, um ins Wohnzimmer zu gehen, wo der Weihnachtsmann ganz sicher über Nacht die Geschenke für alle hingelegt hatte. Julika half der Mutter noch beim Abräumen des Geschirrs und Jonas löschte die Kerzen. Und dann hörten sie auch schon, wie die Klingel im Wohnzimmer die Bescherung ankündigte. Die Mutter wischte sich noch eilig die Hände an der Schürze ab, nahm Niklas auf den Arm und folgten dem Vater in die Wohnstube. Dieser hatte den Kamin angezündet und die Kerzen am Baum erhellten warm den Raum. Julika konnte vor Spannung kaum noch schlucken. Wo war ihr Geschenk? Hatte der Weihnachtsmann ihren Brief bekommen, in dem sie beschrieb, wie sehr sie den neuen Schlitten und die neue Hose brauchte? Und war sie auch artig genug gewesen? In der Schule hatte sie immer gut aufgepaßt und hatte sogar ein Lob im Schönschreibwettbewerb erhalten. Die Eltern waren sehr zufrieden gewesen. Julika sah sich um: ihr Vater hielt gerade die Pfeife hoch, die Jonas ihm geschnitzt hatte, natürlich mit Großvaters Hilfe, und die Mutter zeigte dem kleinen Niklas seine Holzlokomotive, die der Vater erst am Abend vorher noch rot angemalt hatte.
    Julika ging zum Lehnstuhl, unter dem sie die Kekse und die Milch für den Weihnachtsmann versteckt hatte und siehe da, der Weihnachtsmann hatte es gefunden und ihr zum Dank ei-nen Schokoweihnachtsmann hingelegt. Julika hatte auch die Geschenke für die Eltern dort versteckt: eine Spange, die das Haar der Mutter zieren sollte und ein Päckchen Tabak für den Vater. Und für die Brüder hatte sie ein Schnitzmesser, denn das von Jonas war schon ziemlich alt und zwei Tiere für den Holzzoo von Niklas. Eine Kuh und ein Schwein. Julika holte die Geschenke, allesamt sorgfältig in rotes Seidenpapier eingeschlagen, hervor und überreichte sie an ihre Familie. Das war eine Freude zu sehen, wie sie die Sachen auspack-ten und dabei "ah" und "oh" riefen! Julika war so glücklich darüber zu sehen, wie die Ge-schenke den anderen gefielen, daß sie fast vergaß, selbst nach ihren Geschenken zu sehen. Niklas hatte ihr ein Bild gemalt, einen Schneemann, Jonas hatte ihr eine Tüte süßer Lakritze und zwei Lutscher gekauft, und die Mutter überreichte Julika ein Päckchen mit einer großen roten Schleife, in dem eine neue gefütterte Hose steckte. Julika freute sich riesig und den-noch war sie etwas betrübt. Kein Schlitten. Dabei hatte sie sich doch so sehr einen ge-wünscht. Vielleicht hatte der Weihnachtsmann ja nicht soviel tragen können oder vielleicht hatte der Schlitten nicht durch den Kamin gepaßt.
    Jetzt wollte sie der Familie aber erst einmal den Schneemann zeigen, der vor der Tür auf alle wartete, mit Rübennase und Kieselsteinknöpfen und einer Zipfelmütze auf dem runden, kah-len Kopf. Sie nahm die Eltern an die Hand und führte sie nach draußen, so wie sie waren, im Nachtgewand mit Morgenrock. Der Vater lachte vor Freude, als er den weißen, runden Mann sah, der ihn mit einem Lächeln aus Kohlestückchen begrüßte. Die Mutter klatschte in die Hände und beglückwünschte Julika zu so einem Meisterwerk. Und dann sah Julika etwas wunderschönes: Hinter dem Schneemann, kaum zu sehen, stand ein niegelnagelneuer Schlitten, mit echten Kufen und einer rot-weißen Schnur, um ihn die Hügel hinauf zu ziehen. Die Eltern blickten sich mit einem Lächeln an und der Vater blinzelte der Mutter zu, als Julika vor Begeisterung jauchzend ihre festen Stiefel und den Mantel überzog und in den Schnee hinaus zu ihrem neuen Schlitten eilte.
    Das war ein Weihnachten! Und während Julika ihren kleinen Bruder Niklas auf dem Schlitten durch den Hof zog und Jonas eine Schneefrau für den Schneemann baute, verteilte der Vater das Brot an die Tiere im Wald, und die Mutter fütterte die Vögel und alles war perfekt und wunderschön.

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